Living Memories Project


Februar 2010
Bayerisches Staatsschauspiel, Marstall


Das chinesische Musiktheater (xiqu) – geprägt von hoher Stilisierung –- hat mit europäischer Oper so gut wie nichts zu tun. Xiqu kann man ein abstraktes Gesamtkunstwerk nennen. Von den etwa 300 xiqu Stilen hat sich der Westen für die Mitte des 19.Jahrhunderts entstandene Peking-Oper (jingju) interessiert, wegen des schrillen akrobatischen Charakters. Die sehr viel ältere, lyrisch kunstvollere Kun Oper (kunqu) wird dagegen in China geschätzt. Für die äußerst vitale Sichuan Oper (chuanju) ist ein vom Schlagwerk begleiteter hoher Gesang typisch. Jingju, kunqu, chuanju – trotz des Verbotes während der Kulturrevolution – werden heute wieder gepflegt und gefördert.
Mutige Theatermacher in China entwickeln diese alten Theaterformen weiter und befragen sie nach ihrer aktuellen Verbindlichkeit und Relevanz – das Living Memories Projekt stellt drei von ihnen vor: Ke Jun, Tian Mansha, Wo Hsing-kuo.


Ke Jun entstammt der Kun-Tradition und widmet sich in seinem gut halbstündigen, von zwölf Musikern begleiteten Solostück „Verstecken und Fliehen“ (Cang yu ben) grundsätzlicher Lebensphilosphie: Soll man jeder Mode nachlaufen, oder soll man radikal seinen eigenen Masterplan realisieren? Ke trägt diesen Konflikt mit klassischen Mitteln aus: mit der sanft timbrierten Bambusflöte dizi, dem typischen Instrument des kunju, mit der Kalligraphie, mit dem Gesang.
Tian Mansha entstammt der Sichuan-Tradition. Ihr 35- minütiges und von sechs Musikern begleitetes Stück „Der Seufzer“ (Qing tan) basiert auf der Erinnerung eines alten Schauspielers, der während der Kulturrevolution Angst hatte, die alten Stücke wegen des Aufführungsverbots zu vergessen und sie deshalb heimlich und leise repetierte. Tian erzählt vor diesem Hintergrund von drei chinesischen Frauen aus verschiedenen Jahrhunderten, die sie ins 20.Jahrhundert projiziert.
Wo Hsing-kuo, kommt von der Peking-Oper, hat sich Shakespeares „König Lear“ (Li`er wang) vorgenommen. Von zwölf Musikern begleitet bringt er in seinem dreiviertelstündigen Solo über zehn Rollen auf die Bühne: er spielt den alten verblendeten König genauso wie seine hartherzigen Töchter Goneril und Regan, die herzensgute Cordelia ebenso wie den Narren oder den geblendeten Glouster. Und immer stellt sich die Frage: Wie viel Tradition braucht die Moderne?Das Living Memories Projekt ist ein Projekt des Meta Theaters München in Zusammenarbeit mit Europalia (Europalia China Jahr) Brüssel, und dem Bayerischen Staatsschauspiel (siehe: Flyer des Bayerischen Staatsschauspiels) mit Unterstützung des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst, u.a.

Presse:

Zur Presseseite

„…heftig bejubelt… virtuos…“ (Gabriella Lorenz, AZ)
„Ein Abend, der einen noch lange beschäftigen wird.“ (Beate Kayser, tz)

Welt am Sonntag, 31.01.2010 – Shakespeares König Lear

SZ, 03.02.2010 – Tradition in der Moderne

SZ, 04.02.2010 – Es brodelt in der Garküche

Abendzeitung, 08.02.2010 – Opernstar als Putzfrau

SZ, 10.02.2010 – Sprechen, tanzen, singen

Salzburger Kultur, 11.02.2010 – Die Kunst des Gehens

TZ, 08.02.2010 – Faszination aus Fernost

SZ, 22.01.2011 – Grenzenlose Improvisation